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Erfolgsfaktor nonverbale Kommunikation

Wie Gesichtsmaske, Sonnenbrille oder Hut die Arbeit mit Pferden massgeblich beeinflussen kann

Autorin: Sarah Matti, Saanenreiter

Pferde lernen und kommunizieren über die nonverbale Körpersprache. Sie beherrschen kein gesprochenes Wort und kommunizieren grundsätzlich mit ihrem ganzen Körper, mit ihrer Energie und Mimik. Welchen Einfluss hat da das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes auf die Verständigung von Pferd und Mensch?

In der Ausbildung von Pferd und Mensch ist die nonverbale Körpersprache ein wichtiger Schlüssel. Ein Lächeln oder ein mürrisches Gesicht macht bei diesen grossartigen Tieren einen grossen Unterschied.

Wenn wir mit einem Pferd arbeiten, taxiert es innerhalb von Sekunden unser Verhalten in der nonverbalen Kommunikation, unserer Körpersprache. Daher macht es einen Unterschied, ob wir gestresst von der Arbeit kommen und noch schnell, schnell das Pferd arbeiten oder ob wir im relaxten Ferienmodus sind. Wenn es das erstere ist, kann es sein, dass das Pferd diese gestresste Energie aufnimmt und diese auch im Training zeigt. Ich nenne es dann:

Handgranate mit Fellbezug

Die Pferde übernehmen - in diesem Fall leider - oft einfach die Energie des Reiters. Meine persönliche Einstellung und mein aktueller Gemüts-Zustand spielt demzufolge eine grosse Rolle. Das Pferd ist unser Spiegel und zeigt uns direkt und ohne Umschweife, was es denkt. Das ist eine Eigenschaft, die mich immer wieder im positiven Sinne beeindruckt.

Wir befinden uns - Ende Oktober 2020 - inmitten einer der grössten Herausforderungen in der jüngsten Geschichte. Das Corona-Virus stellt uns vor viele schwierige Aufgaben.

Hygienekonzept rund um Pferde

Als Unternehmerin im Pferdebereich frage ich mich, wie wir das Hygienekonzept, das Versorgen der Pferde und die Aufträge (Unterricht und Dienstleistungen), unter Berücksichtigung aller von der Regierung gegebener Vorgaben, unter einen Hut bekommen. Existenzängste und finanzielle Engpässe verlangen von uns, so lange als möglich den Betrieb aufrecht zu erhalten. Wir haben ein Hygienekonzept im Pferdesport, das von uns das Maskentragen verlangt, wenn der Mindestabstand nicht gegeben ist.

Vielleicht geht das für einen Reitlehrer, der in der Mitte der Arena steht, ohne Probleme, denn dieser kommuniziert ja mit dem Reiter und nicht mit dem Pferd selber. Was ist aber mit den Trainern, die viel nonverbal kommunizieren? Oder was ist mit den Berufsleuten, welche mit Problempferden oder Kindern arbeiten?

Kleinere Kinder und Pferde weisen bezüglich Kommunikation ähnliche Merkmale auf. Da Kinder die Sprache noch nicht so gut beherrschen und auch viel von unserer Mimik und Stimmung ablesen, wird es für die Trainer schwierig, mit einer aufgesetzten Gesichtsmaske den Job richtig zu machen. Ein Beispiel, welches man zwischendurch auch in den Medien lesen kann, sind die Kitas. Die Betreuer dort geben an, das es mit Maske schwierig ist, mit kleinen Kindern zu arbeiten. Die Betreuer können nicht mehr mit ihren Gesichtszügen spielen und diese auf die Kinder wirken lasssen.

Pferde sind auf Mimik angewiesen

Dasselbe gilt beispielsweise bei Pferden in der Bodenarbeit oder generell im Umgang. Tiere, die unsicher sind oder von Anfang an auf Körperkommunikation trainiert wurden, sind auf eine solche Kommunikation angewiesen. Ohnehin sind wir es, die lernen sollten, mit unserem Körper in der Sprache der Pferde zu sprechen.

Ein Beispiel dazu. Meine Stute Sina ist das ideale Pferd für kleine Kinder, welche das Reiten erlernen möchten. Unsere Kommunikation ist so fein abgestimmt, dass sie genau weiss, wann ich was von ihr möchte. Vor allem beobachten wir uns gegenseitig in dieser nonverbalen Kommunikation sehr genau und hochkonzentriert. Es genügt die kleinste Veränderung der Mimik und das Pferd weiss genau, was es zu tun hat. So eng läuft diese Art der Kommunikation. Jeder, der meine Unterrichtsform kennt, weiss, dass ich viel mit meinem Körper arbeite und dies auch gerne genau so den Schülern vermittle.Diese Arbeitsweise bedingt, dass ich nahe beim Pferd bin und nicht zu 100% auf die gemäss Corona-Vorschrift empfohlenen 1.5 - 2 Meter Distanz arbeiten kann. Folgerichtig muss ich eine Maske tragen, um den Vorgaben gerecht zu werden. Diesen Sommer was das im Praxistest eine Herausforderung und ich musste mich dazu durchringen, den Unterricht auszusetzen, bis die Maskenpflicht wieder gelockert wird.

Masken - ein Sicherheitsrisiko?

Was ist passiert? Ich konnte meine Arbeit nicht mehr in dieser Qualität ausführen, wie ich mir das gewohnt war. Entweder verletze ich das Schutzkonzept, indem ich auf die Maske verzichte und so weiterhin mit meinem Pferd und den Studenten optimal und sicher im Bezug auf das Training kommunizieren kann. Oder ich streiche den Unterricht und gehe kein Risiko ein, jemanden anzustecken oder angesteckt zu werden.

Es war eine einfache und zugleich schwere Entscheidung: Die Sicherheit und die Einhaltung des Schutzkonzeptes steht an oberster Stelle und deshalb verzichte ich derzeit auf den Unterricht. Diese Entscheidung tangiert aber nicht nur den Unterricht. Bei mir sind die Pferde auch an der Kutsche auf diese Kommunikation angewiesen. Die Pferde werden ohne Scheuklappen gefahren, das bedeutet, sie haben eine Rundumsicht und sehen mich auch auf dem Kutschbock. Sie beobachten genau, was ich mache und wie meine Körpersprache im Allgemeinen ist. Sie sehen ein Lächeln und sie sehen auch andere Ausdrücke meiner Mimik. Der Fokus von meinem Gesicht ist für sie massgebend. Daher wird das Tragen einer Maske beim Fahren auch zum Problem.

Wieder ein Beispiel von meiner Stute Sina. Damals war sie 3.5 Jahre alt und ich bereitete sie für den Freiberger-Feldtest in Fehraltdorf vor. Dort, wo ich hinschaue, dort gehen wir hin. 

Mein Ziel war es, das Pferd ohne grosse Zügelhilfen zu manövrieren. Sina meisterte das mit absoluter Bravour. Eines Tages war ich mit dem Sulky auf einem Feldweg unterwegs und meine Mutter begleitete mich beritten mit ihrem Pferd. Wir haben getrabt und dazu geschwatzt. Um meiner Mutter eine Antwort auf ihre Frage zu geben, drehte ich meinen Kopf nach links, um sie dabei anzuschauen und vergass in dem Moment, wie sensibel meine Stute darauf trainiert war. Sina lenkte logischerweise auch nach links und wir landeten in den Haselstauden. Ihr haben die Stauden geschmeckt und ich lernte dabei, wie gut Pferde einem beobachten. Das ist zwar Jahre her, aber immer noch der Beweis dafür, wie sensibel Pferde uns beobachten.

Sonnenbrillen, offene Haare und Hüte

Nicht nur Gesichtsmasken können die Arbeit beeinflussen, auch Sonnenbrillen, offene Haare oder ein Hut verändert die Situation! Es ist wichtig, dass wir uns nicht hinter diesen Sachen verstecken, wenn wir in dieser Art mit Pferden arbeiten möchten. Unser Blick, unsere Mimik und die Körperhaltung sind massgebend. Die eigene Stimme kann eine Körperkommunikation nicht ersetzen, aber sie kann unterstützend sein.

Jeder Trainer, Schüler oder Stallbesitzer muss für sich selber entscheiden, wie er mit der jetzigen Situation umgeht. Ich für mich setze auf Kommunikation in der Sprache der Pferde.

Denn eine gute Kommunikation ist für mich gleichbedeutend mit Sicherheit und Unfallverhütung im Umgang mit den Pferden.

In diesem Sinne wünsche ich dir eine gesunde und unfallfreie Zeit mit deinen Tieren und ihrer wunderbaren Art, zu kommunizieren.